Workshop „SoLawiBetriebe wirtschaftlich stabilisieren und umfassende Regionalversorgung gestalten“ 07.-09.02.2020
Unter dem Motto „Die Region erreichen“ trafen sich rund 120 Menschen aus der SoLawi-Bewegung auf Gut Frohberg bei Meißen. Ziel war der Austausch darüber, wie die Solidarische Landwirtschaft aus der Nische herauswachsen kann. Die Bewegung möchte einen Beitrag zur Agrarwende und zum gesellschaftlichen Wandel leisten. Damit verbunden sind viele Fragen: können Betriebe der Solidarischen Landwirtschaft die Versorgung von ganzen Städten und Regionen wesentlich mittragen? Wie können SoLawi- Prozesse und SoLawi-Kultur in größere oder komplexere Zusammenhänge übersetzt werden? Welche Grenzen gibt es und welche Bedingungen? Was für Tools zur Unterstützung und welches Erfahrungswissen gibt es und wie können wir voneinander und miteinander lernen?
Der Workshop des Projektes nascent unter der Leitung von Marius Rommel und Dr. Irene Antoni-Komar erreichte 36 Teilnehmer*innen, die sich interaktiv zunächst mit der Frage auseinandersetzten:
Welche Erfahrungen habe ich mit (meiner) SoLawi im Kontext wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen? Dabei ging es zunächst um die Innenperspektive der Stabilisierung. |
Die Ergebnisse aus den insgesamt sechs Arbeitsgruppen waren vielfältig, wiesen aber auch zahlreiche Überschneidungen auf.
So sei die wirtschaftliche Stabilisierung geprägt von dem Spagat zwischen der Höhe der Beiträge als Schwelle für Mitglieder und einer angemessenen/fairen Entlohnung von Erzeuger*innen und Fachkräften. Dabei sei es wichtig, durch eine transparente Kommunikation das Verständnis der Mitglieder für die wahren Kosten zu erhöhen. Auch sollten Investitionen durch private Einlagen bei Eintritt in die SoLawi oder durch Crowdfunding ermöglicht werden. Ein Problem liege in der mangelnden Verfügbarkeit von Anbauflächen, was sich durch den Zusammenschluss von Betrieben zu Genossenschaften lösen ließe. Betont wurde hier zudem der wichtige stabilisierende Einfluss des sozialen Miteinanders und der Gemeinschaft, was durch Bildungsarbeit gestärkt werden könne. Dafür brauche es jedoch auch finanzielle Förderung.
Die sozialen Herausforderungen der Stabilisierung wurden mit der Frage umrissen: Wie gelingt SoLawis ein gutes Miteinander & Zusammengehörigkeitsgefühl?
In allen drei Arbeitsgruppen wurde das Problem der Integration von ehrenamtlicher Arbeit der Mitglieder thematisiert. Da freiwillige, partizipative Mitarbeit nicht eingefordert werden könne, steigere dies die Unsicherheit und Instabilität. Wichtig sei die Kontinuität im professionellen Gärtner*innen-Team aufrechtzuerhalten, bei deren hohen Arbeitsbelastung eine angemessene Entlohnung zu gewährleisten und Verantwortungsbereiche mit Schlüsselaufgaben zu definieren. Eine Gruppe sieht die Lösung in der Teilung von professioneller & partizipativer Arbeit durch „Öffnung eines dritten Raums“, der frei von Wirtschaftszwängen sein müsse. Eine andere in regelmäßigen „Austausch-Cafés“ mit Mitgliedern und der Schaffung von Bewusstsein für den Umfang von Tätigkeiten (z.B. Tätigkeitshaushalt für nicht bezahlte Aufgaben). Hier kam auch das Soziokratiemodell mit klaren Abgrenzungen der Aufgaben zur Sprache. Als entscheidender Faktor wurde die Bedeutung der Kommunikation die bei der Anbindung der Mitglieder und intern im Team herausgestellt. Dabei sollten z.B. Tools genutzt, ausreichend Zeit für gemeinsame Arbeitsplanung und sozialen Austausch (ein Wochenende im Jahr als „Intensivzeit“) und regelmäßige Treffen der Koordinationsgruppen vorgesehen werden.
Der zweite Teil des Workshops widmete sich der Außenperspektive, die in drei Worldcafé-Gruppen bearbeitet würde.
Gruppe 1 leitete die Frage: Wie können SoLawis umfassendere Versorgung ermöglichen? (Verarbeitungstiefe? Zukauf? Verkauf?)
Die Teilnehmer*innen waren sich einig, dass die Attraktivität durch ein größeres Angebot an Produkten gesteigert werden könne. Vorgeschlagen wurde die Erweiterung des Warenkorbs durch Sortimentsvergrößerung bzw. Kooperation mit anderen SoLawis, regionalen Betrieben, Kooperativen oder Genossenschaften. Dabei stellte sich jedoch auch die Frage nach dem dafür erforderlichen personellen und buchhalterischen Aufwand. Hier wurde der Bedarf an Beratung & Unterstützung thematisiert.
Die 2. Worldcafé-Gruppe widmete sich der Frage: Welche konkreten Kooperationen existieren bereits bzw. wären dienlich für eine umfassendere Versorgung? Wie verändert sich das SoLawi-Prinzip durch derartige Kooperationen?
Hier zeichnete sich als Ergebnis ab, dass es kein einfacher Spagat zwischen Spezialisierung und Wunsch nach Vielfalt ist. Wenn Produkte sporadisch von außen hinzugegeben würden, werde in der Regel ein Stückpreis angesetzt (nicht Teil des Ernteanteils). Neben dem hohen Koordinationsaufwand ginge damit die Gefahr der Kommodifizierung einher, die das Solidaritätsprinzip auflöse. Ein Lösungsweg könnte der Zusammenschluss unterschiedlich spezialisierter SoLawis sein, um das Prinzip des Ernteteilens beizubehalten.
Wie können Systemdienstleister als „äußere Akteure“ SoLawi-Betriebe unterstützen? (Stabilisierung & umfassendere Versorgung) bildete die Frage der 3. Gruppe.
Vielfältige Akteure (z.B. Netzwerk SoLawi, Ernährungsräte, VHS, Universitäten, Landwirtschaftskammer, Kommunen, Kirche, Vereine und Verbände, Umweltinitiativen etc.), so die Gruppe, könnten z.B. Wissen, Tools oder Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Als wichtige Gruppe für ergänzende Themen wurden Soziolog*innen, Psycholog*innen und Philosoph*innen benannt, die den Wandel weg vom kapitalistischen Denken unterstützen könnten. mehr Heterogenität bei den Mitgliedern erreichen.
In der abschließenden Diskussion wurde von Seite der Teilnehmer*innen auf die Bedeutung der unterstützenden Forschung für die SoLawi-Bewegung hingewiesen. Nascent wird die transdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Herbsttagung des Solidarische Landwirtschaft im November 2020 fortsetzen.